Werbebotschaft „das am besten kontrollierte Lebensmittel“ ist irreführend

Warum es das „bestkontrollierte Lebensmittel“ in Deutschland nicht gibt und warum Mineralwasser und Leitungswasser unterschiedlich geprüft werden – viele Kontrollen sind kein Qualitätsmerkmal.

 

 

Leitungswasser wird häufig mit Superlativen als das bestkontrollierte oder am besten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland beworben. Diese Aussage ist jedoch irreführend und entspricht nicht den Tatsachen. Zu diesem Urteil kommt das Landgericht Hannover im Dezember 2020 (Urteil 18 O 178/19 vom 07.12.2020). Dieses hatte die Aussage „Trinkwasser ist das bestkontrollierte Lebensmittel“ ausführlich geprüft und detailliert begutachtet und es infolge untersagt, mit diesem Hinweis zu werben. Das Gericht begründet sein Urteil, damit dass

Tatsächlich ist nach Ansicht des Gerichtes diese kommunizierte „Qualität aber an der klassischen Entnahmestelle im Haushalt nicht gewährleistet, weil die Reinheit der Hausleitungen nach dem Übergabepunkt nicht mehr dem Verantwortungsbereich [der Wasserversorger] unterliegen und ggf. auch Verunreinigungen im öffentlichen Leitungsnetz nicht völlig ausgeschlossen sind.“

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis: „Bei strenger Betrachtung wird das Leitungswasser zu dem Zeitpunkt, in dem es auch rechtlich zum Lebensmittel wird (an der Entnahmestelle), tatsächlich gar nicht mehr kontrolliert.“

Zudem weist das Gericht deutlich darauf hin, dass auch veröffentlichte Testergebnisse, beispielsweise der Stiftung Warentest, die in ihren Artikeln behauptet: „Trinkwasser gilt als das bestüberwachte Lebensmittel – zu Recht, zeigt unser Test“, nicht als Beleg für die Werbebehauptung „Trinkwasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel“ herhalten kann. So habe die Stiftung Warentest beispielsweise „überhaupt nicht geprüft […], ob Trinkwasser häufiger oder strenger getestet wird als andere Lebensmittel. Vielmehr hat sie lediglich getestet, ob das Leitungswasser den Vorgaben der Trinkwasserverordnung entspricht.“

Anzahl der Kontrollen sind kein Qualitätsmerkmal

Mit der Betonung einer der höheren Anzahl von Kontrollen bei Leitungswasser/Trinkwasser entsteht beim Verbraucher der Eindruck, dass diese Kontrollintensität ein besonderes Qualitätsmerkmal für Leitungswasser darstelle, häufig in Abgrenzung zu Mineralwasser.

Viele Kontrollen sind allerdings nicht automatisch ein Qualitätsmerkmal. Vielmehr handelt es sich um eine Notwendigkeit, damit der Verbraucher das Leitungswasser in einem genusstauglichen Zustand bedenkenlos trinken kann. Dies liegt in der Herkunft begründet. Denn Leitungswasser muss in der Regel zunächst gereinigt und zu Trinkwasser aufbereitet werden. Natürliches Mineralwasser zeichnet sich durch seine ursprüngliche Reinheit und die Herkunft aus geschützten, unterirdischen Wasservorkommen aus. Deshalb unterscheiden sich die vorgeschriebenen Kontrollen bei beiden Wasserarten erheblich.

Unterschiedliche Kontrollen für unterschiedliche Produkte

Umfang und Qualität der Leitungswasserkontrollen sind rechtlich in der Trinkwasserverordnung genau definiert. Allerdings garantieren die Wasserversorger die Qualität ihres Produkts jedoch nur bis zum Hausanschluss. Auf dem Weg von dort zum Hahn können zahlreiche Faktoren, wie Leitungsqualität, Wassertemperatur, stagnierendes Wasser in der Leitung (Stagnationswasser), Wasserpartikelfilter und die Düse am Hahn (Perlator) die Qualität des Wassers beeinträchtigen.

Für Mineralwasser ist die  Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) maßgeblich,  die keine Mindesthäufigkeit von Analysen definiert. Vielmehr müssen Mineralbrunnen seit Mitte der 1990er-Jahre ein sogenanntes HACCP-Qualitätssicherungssystem installiert haben. Darin werden die Messparameter und -frequenzen je nach Notwendigkeit für die einzelnen Betriebe festgelegt und dokumentiert, was die zuständigen Behörden überwachen. Auf Mikrobiologie und wichtige Leitparameter wird üblicherweise mindestens täglich, teilweise mehrmals pro Schicht, kontrolliert.  Darüber hinaus gelten für alle Mineralbrunnen 26 gesetzlich vorgeschriebene Grenz- und Orientierungswerte. Wenn diese sicher und dauerhaft unterschritten werden, wird Mineralwasser als einziges Lebensmittel in Deutschland amtlich anerkannt.

Grenzwerte sind nicht identisch

Soweit sie die Gesundheit der Konsumenten betreffen, sind die gesetzlichen Vorgaben bei Leitungswasser und natürlichem Mineralwasser so gut wie identisch. Beide Produkte sind als sicher einzustufen und können unbedenklich genossen werden, obwohl sie unterschiedliche produktspezifische Grenzwerte erfüllen müssen.

Da Leitungswasser aus Grund- und Oberflächenwasser gewonnen wird, das Verunreinigungen aufweisen kann und daher zu Trinkwasser aufbereitet werden muss,  ist die Liste der einzuhaltenden Grenzwerte nach Trinkwasserverordnung entsprechend lang und die Anzahl der geforderten Kontrollen besonders hoch. Darüber hinaus sind die festgelegten Leitungswasser-Grenzwerte nicht ernährungsphysiologisch und nur zum Teil gesundheitlich begründet. Technische Erfordernisse spielen ebenfalls eine Rolle. Denn es dürfen weder im weit verzweigten Rohrleitungsnetz die Leitungen korrodieren noch darf die Zusammensetzung des Trinkwassers den verschiedensten Verwendungszwecken, wie Trinken (5 Prozent), Kochen, Körperpflege, Spülen, Waschen, Putzen, Toilettenspülung entgegenstehen. Einem zu kalkhaltigen Leitungswasser wird ein Teil des Calciums vor Abgabe in die Haushalte entzogen, um eine für die wasserführenden Hausgeräte verträgliche Wasserhärte zu erreichen.

Solche Eingriffe in das Wasser sind bei dem Naturprodukt Mineralwasser strengstens verboten. Bei Mineralwasser leiten sie sich aus den Erfordernissen der ursprünglichen Reinheit ab, bei Leitungswasser aus der Herkunft, der Aufbereitung, dem Rohrleitungstransport und den technischen Verwendungszwecken.

Streng kontrollierte Lebensmittel in Deutschland

Lebensmittel werden in Deutschland streng kontrolliert und überwacht. Darauf können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher jederzeit verlassen. Aber der Mythos, es gäbe ein am besten, am strengsten oder am meisten kontrolliertes Lebensmittel in Deutschland bleibt ein Mythos bzw. eine Werbebotschaft.

 

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